Storytelling*: Einsam im Herbst

Alice war ein fröhlicher Mensch, so sagte man ihr zumindest. Die 32jährige Frau ging gerne mit ihren Freundinnen zum Stadtbummel und anschließend einen Kaffee trinken oder in die Bar zu einem Rotwein, begleitet von einer Kleinigkeit zum Essen. Ab und zu besuchte sie auch die Disco, um ausgelassen zu tanzen, was ihr guttat. Auch die Natur zog sie magisch an und so wanderte sie zusammen mit einer Freundin, die auch gerne sportliche Aktivitäten bevorzugte, gerne durch den Wald oder die beiden Frauen gingen spazieren entlang eines kleinen Sees in der Nähe.

So sehr jedoch Alice all diese Aktivitäten und den Kontakt zu ihren Freundinnen genoss, ihre Stimmung kippte stets ins Negative, sobald die Natur begann, sich auf die Winterruhe vorzubereiten. Die Bäumte verloren ihre Blätter als würden sie austrocknen – so kam es ihr zumindest immer vor. Die Insekten hörten auf zu summen, weil es sie nicht mehr gab. Die Tage wurden kühler und regnerischer und in der Nacht kühlte es merklich ab. Die Menschen zogen langärmlige Oberteile und Jacken an. Die Sonne wärmte kaum noch und war viel kürzer zu sehen als noch einige Wochen zuvor. Bald würde es sogar dunkel sein, wenn sie ihr Büro am frühen Abend verlassen würde.

„Ich leide unter Einsamkeit“ stellte die junge Frau fest und beschloss, sich einen neuen Partner zu suchen. Nur so – so dachte sie – wird sie sich auch im Herbst gut und lebendig fühlen. Am nächsten Tag ging sie beflügelt von dieser Idee zur Arbeit. Ohne es bewusst wahrzunehmen, sah sie ihre Umgebung mit ganz anderen Augen an: es störte sie plötzlich nur noch ganz wenig, dass es kalt war und stark regnete. Auch die heruntergefalle Blätter, die der Wind umherwirbelte, begeisterten sie mit ihren vielen Farben. Als sie nach dem Feierabend einen kleinen Spaziergang unternahm, war sie überwältigt von den in vielen Rot-, Orange-, Braun- und Grünfarbtönen der Bäume, die ihren Weg kreuzten.

Und obwohl sie an diesem Tag nicht ihren Traumprinz begegnete, ging sie mit einem Lächeln ins Bett. „Glück ist stets eine Frage der Perspektive“ sagte sie noch zu sich selbst und glitt bald in einem tiefen, erholsamen Schlaf.

*Es handelt sich um fiktive Geschichten von fiktiven Personen. Alle Personen, die in der Geschichte vorkommen, sind frei erfunden.